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Internationaler Frauentag: Care-Arbeit im Fokus

Beitragsbild: envatoelements | gpointstudio

Seit 101 Jahren wird am 8. März der internationale Frauentag gefeiert und von verschiedenen aktivistischen Aktionen begleitet. Ziel ist es, eine Gleichstellung der Geschlechter auf allen Ebenen zu erlangen. Für die Pflege und andere Care-Berufe hat der Tag eine besondere Bedeutung. Nach wie vor wird Care Arbeit überproportional oft von Frauen geleistet. Besonders häufig wird diese Aufgabe von Personen übernommen, die ohnehin eine benachteiligte Stellung in der Gesellschaft innehaben, wie Frauen aus der Arbeiter:innenklasse, BIPOC (Black, Indigenous and People of Colour) und Migrant:innen. Ein Bericht von Tamara Mandl, BA, MA und DGKP Eva Gmoser, BA.

Die in diesen Arbeitsbereichen notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse werden bis heute, als den Frauen von Geburt an inhärent gesehen. Emotionale Arbeit, das Sich Kümmern und -Sorgen werden nach wie vor nicht als besondere Qualifikationen oder Kompetenzen angesehen, die einer fundierten Ausbildung bedürfen. Schon in der Kindheit werden Mädchen und Jungen durch gegenderte Spielsachen, stereotypisierte Zuschreibungen und verschiedene Aufgaben innerhalb der Familien zum Teil spielerisch in die unterschiedliche Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern eingegliedert. Ein möglichst großer Abstand zu sogenannter “Frauenarbeit” kann die Berufsorientierung für männliche Jugendliche und die Entscheidung für bestimmte Spezialisierungen und Ausbildungswege so mitbestimmen.

Besonders deutlich wird die Entwicklung in Pflegeberufen & Care Arbeit

In weiterer Folge werden, die zu Frauen- und Männerarbeit konstruierten Tätigkeitsfelder, hierarchisiert bzw. in Hinblick auf Bezahlung und Status auf- bzw. abgewertet. Die dem System des Kapitalismus geschuldete, immer weiter steigende Arbeitsverdichtung, und der gegenseitige Konkurrenzkampf, erschweren auch in Care-Berufen den Arbeitsalltag zusätzlich. Besonders deutlich wird diese Entwicklung in Pflegeberufen, wo die ohnehin schon prekären Bedingungen durch die Pandemie massiv verstärkt werden. Unter dem Zeit- und Personalmangel leiden die Pflegepersonen, als auch die zu Pflegenden, gleichermaßen. Viele Pflegepersonen kehren dem Pflegeberuf entmutigt den Rücken zu, da sie dem eigenen Anspruch an die Arbeit nicht mehr gerecht werden können.

„Pflege ist nicht nur ein Beruf, sondern eine Berufung“

Der Ausstieg aus diesem Beruf, der von den meisten Pflegepersonen aus Leidenschaft für die Arbeit mit Menschen gewählt wurde, ist nicht selten mit Schuldgefühlen gegenüber dem verbliebenen Team und den Patient:innen/Bewohner:innen verbunden und kann als eigenes Versagen oder Schwäche, dem Arbeitsdruck nicht mehr standhalten zu können, wahrgenommen werden. Äußerungen wie „Pflege ist nicht nur ein Beruf, sondern eine Berufung“ verstärken dieses Gefühl des “persönlichen Scheiterns” und suggerieren zudem, dass die Einforderung von höheren Gehältern und eines höheren Stellenwerts der Tätigkeit, etwas moralisch Verwerfliches sei.

Der aktivistische Einsatz im Bereich der Care Arbeit fällt oft sehr schwer!

Dennoch fällt es vielen Pflegepersonen schwer, sich durch Streiks und andere aktivistische Aktionen für eine Aufwertung des Berufsbildes einzusetzen. Einerseits sind sie mit dem Dilemma, dass die ihnen anvertrauten Patient:innen in ihrer Abwesenheit vernachlässigt und somit gefährdet werden, konfrontiert. Zum anderen ist das stereotype Rollenbild, sich als Pflegeperson im hierarchisch organisierten Gesundheitssystem, nicht in der Position zu befinden, sich auflehnen zu dürfen, stark verinnerlicht.

Doch gerade der Einsatz für die Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, ist Ausdruck einer Haltung, die von Mitgefühl, Fürsorge und hohem professionellen Anspruch getragen wird. Demzufolge bildet der aktivistische Einsatz für positive Veränderungen, eine Grundlage für langfristig gesichertes Patient:innenwohl. Ein starkes Selbstbewusstsein der Pflege und das Sichtbarmachen ihrer Leistungen sind hier unumgänglich. Es erfordert Mut, die Initiative zu ergreifen und sich für Solidarität, Gerechtigkeit, ein Zusammenleben in Vielfalt und Nachhaltigkeit stark zu machen.

Care Arbeit: Teamkultur auf Augenhöhe

Neben dem Einsatz der Pflegenden, ist der Zusammenhalt aller Gesundheitsberufe im Sinne einer interprofessionellen Teamkultur auf Augenhöhe, die nach innen sowie nach außen getragen und gelebt wird, unabdingbar für einen nachhaltigen Veränderungsprozess. Dies bedeutet, dass sich alle Gesundheits- und Sozialberufe zusammenschließen sollten, um sich mit- und füreinander solidarisch zu zeigen und sich gemeinsam für Verbesserungen der Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen einzusetzen. Der Mensch ist geschlechtsunabhängig von Natur aus, ein soziales Wesen. Ethisches Handeln, das Streben nach wirtschaftlicher Gerechtigkeit und die Sorge um Andere, gelten als Orientierungspunkte für eine menschliche Welt und müssen auch durch zivilgesellschaftliches Engagement eingefordert werden.

Eine Gesellschaft muss, um als moralisch aufstrebende Gesellschaft gesehen zu werden, adäquate Rahmenbedingungen für die Ausübung von Care-Tätigkeiten bieten. Dies setzt eine kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen (Macht)verhältnissen und Ungleichheiten voraus, um diese als mündige Bürger:innen aufzubrechen und mitzugestalten.

Tamara Mandl und Eva Gmoser haben diesen Artikel für die Zeitschrift „Pflege in Bewegung“ verfasst. Um auf dieses wichtige Thema aufmerksam zu machen, haben die Autorinnen diesen Artikel auch unserer Online-Redaktion zur Verfügung getsellt! Herzlichen Dank dafür!

Verwendete Quellen der Autorinnen:

  • Gärtner, M./ Scambor, E. (2021). Caring Masculinities. Über Männlichkeiten und Sorgearbeit. Praxis Palliative Care/ Demenz. Das Jahresheft 13. 50 – 54
  • Schnerring, A./Verlan, S. (2020). Equal Care. Über Fürsorge und Gesellschaft. Berlin: Verbrecher Verlag.
  • Tronto, J. (2020). Moral Boundaries. A Political Argument for an Ethic of Care. New York: Routledge.

Demo in Graz am 08. März 2022 zum Welt-Frauentag!

Tamara Mandl liegt ein Hinweis noch besonders am Herzen: Das „Demobündnis 8. März Graz“ organisiert eine Demo in Graz – um dem Welt-Frauentag eine laute Stimme zu geben. Gemeinsam für Gerechtigkeit und Gleichstellung!

Wir stehen auf für

  • egalitäre internationale, gesellschaftliche und partnerschaftliche Arbeitsteilung frei von Sexismus, Rassismus und Klassengesellschaft
  • Anerkennung von gemeinnütziger, nachbarschaftlicher, migrantischer und reproduktiver Arbeit
  • Beendigung aller Formen von männlicher Gewalt an Frauen und Inter-, Nicht-Binäre, Trans- und A-Gender-Personen (FINTA) – gegen Femizide, häusliche Gewalt, sexuelle Belästigung, Vergewaltigung
  • Beendigung aller Formen von staatlicher Gewalt an Frauen und FINTA Personen – gegen Abtreibungsverbote, Diskriminierung im Gesundheitssektor, Gewalt bei der Geburt, Pathologisierung von Inter- und Transidentitäten

Es braucht dringend

  • gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit
  • eine 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich
  • mehr Personal vor allem im Gesundheits-, Pflege- und Bildungsbereich
  • Ausbezahlung von Corona-Prämien, nicht nur Millionen Coronahilfen für Konzerne

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